Der Krieger

Der Krieger

Ich wusste sofort, das ist der perfekte Krieger. Und es war nicht einfach Angst, riesige Angst, die entsetzlichste Angst, es war die Gewissheit, dass es vorbei ist, und ich war in einer unbekannten Art und Weise damit einverstanden. Wenn dieser Krieger der Welt mein Schicksal war, waren sowohl Ort und Zeit als auch die Art und Weise in Ordnung. Gegen diesen Krieger aller Zeiten gab es keine Argumente.

Er bewegte sich schnell und zielbewusst auf mich zu, mit Waffen, die ich nicht kannte. Ich wusste keinen Ausweg, keine Abwehr. Zwei, drei Schritte vor dem endgültigen Zusammentreffen machte er eine kleine Bewegung nach links und lief über den neben mir sitzenden Mann hinweg. Ich war sprachlos, innerlich und äußerlich. Ich wusste nicht genau, ob ich noch existierte oder nicht. Gewaltig waren in mir der Schatten und die Gewissheit dieser Begegnung. Gewaltig war der Eindruck, der kaum benennbar war.

Nachdem ich mich etwas gefangen hatte, fragte ich den Mann neben mir: Hast du das geseh’n? – Was denn, fragte der erstaunt? – Der neben ihm sitzende Mann hatte mitgehört und sagte: Ja, irgendwas war eigenartig, wie ein Schatten, eine Bewegung. Aber ich könnte nicht sagen, was.

Ich sah hinauf zum Sternenhimmel, zu diesem Wunder, zu dieser nahezu unfassbaren Vielzahl des Anderen, des Entfernten. Ich erkannte das Sternbild des Südlichen Kreuzes und wenig über dem Horizont das Bild des Knieenden Kriegers.

Die Luft war kühl. Das Unbekannte, so meinte ich, war in mir. Die Zeichen verwirrten mich. Im Bestreben, Klarheit und Ruhe herzustellen, orientierte ich mich an der Außenwelt. Der Anker im Dasein ist möglicherweise der Blick nach außen, die Orientierung am Nächsten der nötige Halt.

Der dämmrige Nachtschatten der Häuser und Bäume erlaubte die Illusion, die Umgebung einigermaßen erkennen zu können. Der Wind frischte auf, die Nacht wurde ungemütlich. In meiner bestehenden Aufgewühltheit wurde jede äußere Bewegung zur Bedrohung, hinter jedem Schatten lauerte die Gestalt des Kriegers.

Der Wind aus der Wüste trug feinen Sand mit sich und machte das Atmen schwer. Die Augen musste man vom Wind abwenden, um wenigstens etwas zu erkennen. Nach einiger Zeit ließ der Wind nach, und es trat eine Ruhe ein, deren Natur nicht ganz klar war. In einiger Entfernung standen drei Bäume, ein kleines Gebäude, das nicht zum Wohnen bestimmt schien, und eine niedrige Umfassung aus Stein, die vielleicht ein Brunnen sein konnte. Dies alles lag im Halb- oder Drittelmondlicht der Wüstenhochebene, trocken und einsam.

Ich weiß nicht mehr, wodurch ich veranlasst wurde, mich dorthin zu begeben. Ich tat es schnellen Schrittes, in der unbestimmten Hoffnung, sicheres Terrain zu gewinnen. Ich setzte mich auf die Steinumrandung an der Stelle, an der sie im Mondschatten eines der Bäume lag. Diese einfache Aktion war nicht ohne Aufregung erfolgt: Mein Herz klopfte stärker als ich erwartet hatte. Ich atmete tief durch und versuchte, die nächtliche Umgebung mit meinen Augen zu erkunden.

In einiger Entfernung hob sich eine weitere kleine Baumgruppe gegen den Nachthimmel ab. Daneben immer wieder Stellen, die um einiges heller waren. Plötzlich eine Bewegung quer durch eine der weiter entfernten Mondlichtinseln: schnell, geschmeidig, katzenhaft. Ein, zwei undeutbare Laute der Nacht, dann wieder Ruhe.

Angespannt und aufmerksam glitt mein Blick zurück zur kleinen Baumgruppe. Natürlich war mir klar, dass sich bei jedem Helligkeitswechsel das Auge erst an die veränderten Bedingungen gewöhnen musste, dass diese Gewöhnung eine gewisse Zeit beanspruchte und dass diese Zeit gefährlich sein konnte. Auch, dass diese Abläufe außerhalb unseres Einflusses liegen.

Und dann sah ich ihn. In diesem Moment gab es nur die Stille und die Gewissheit, dass er immer da sein würde – vielleicht schon immer da war. Eine endlos lange Zeit schlug mein Herz nicht. Der Krieger bildete eine Art natürlicher Fortsetzung der vorhandenen Muster. Er lehnte mehr am Schatten eines der Bäume als an dessen Stamm. Unmöglich zu wissen, wie er an diesen Ort gekommen war. Ich nahm deutlich sein indianisches Profil war, seine fast bronzefarbene Haut und den ruhigen, festen Blick. Er würde nicht sprechen! Dies war ein Moment von außerordentlicher Klarheit. Sie konnte sowohl von einem sonnengleichen Lichteffekt als auch von einem überwältigenden geistigen Erkennen ausgelöst worden sein. Er war Körper und Schatten, seine Entschiedenheit ohne Zweifel, seine Maximen des Handelns unerschütterlich.

Hinter ihm wurde es unmerklich heller. Der Sonnenwagen noch weit unter dem Horizont, meldete der Dämmerschein bereits sein Erscheinen. Ich schloss für einen Moment meine überanstrengten Augen. Durch diese Nachlässigkeit erschreckt, wollten ihn meine Augen sofort wieder festhalten. Doch sie fanden ihn nicht. Er war nicht aufzufinden, doch er war da: in jedem Schatten, in jeder Bewegung, das spürte ich. Zunächst jedoch vertrieb der anbrechende Tag die düstersten der nächtlichen Schatten.